“Die Landwirtschaft von morgen wird umweltgerecht, aber auch hoch spezialisiert sein!“

Wie sieht die Landwirtschaft von morgen aus ? Die Landwirtschaft ist heute in vollem Wandel, denn sie muss ausreichend produzieren, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren und soll gleichzeitig Probleme der Umweltverschmutzung lösen. Jean-Marie Séronie, Agraringenieur und Agrarökonom, stellt uns die wichtigsten Trends vor, die sich in diesem Sektor abzeichnen.

Wie lässt sich die Landwirtschaft in Europa heute beschreiben ?

Von einer europäischen Landwirtschaft zu sprechen, ist wenig sinnvoll, da sie extrem vielfältig ist. Von den insgesamt 6, 8 Millionen Betrieben in Europa sind 3, 4 Millionen kleiner als 5 Hektar. Ein großer Teil davon wird als Subsistenzlandwirtschaft von Landwirten geführt, die in Teilzeit arbeiten und in der übrigen Zeit einer anderen Tätigkeit nachgehen. In dieser Hinsicht bildet Frankreich eine Ausnahme: Die Betriebsgröße beträgt dort im Durchschnitt 60 ha und nur 20% der französischen Landwirte arbeiten in Teilzeit.

Vor welchen Herausforderungen steht die Landwirtschaft heute ?

Die Landwirtschaft steht heute vor drei großen Problemen. Erstens existieren auf dem Markt erhebliche Preisschwankungen, die von einem Jahr zum anderen finanzielle Ungleichgewichte schaffen. Zweitens gibt es die Notwendigkeit der Anpassung an die Wünsche des Verbrauchers, die entgegen der landläufigen Meinung nicht immer eine Aufwertung bedeutet und vor allem den Preis der Erzeugnisse betrifft. Und drittens fordert der Klimawandel zunehmend Anpassungen. Die Emission von Treibhausgasen und Methan, die Produktion von Stickstoffoxid durch Düngung und die Motorisierung der landwirtschaftlichen Maschinen machen den Sektor zu einem wesentlichen Faktor dieser Erwärmung. Aber aufgrund der Tatsache, dass Pflanzen durch Photosynthese Kohlenstoff binden, stellt die Landwirtschaft bis zur Entwicklung einer kohlenstofffreien Wirtschaft aber auch eine Übergangslösung dar. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Landwirtschaft mit ihrer Abhängigkeit von Temperatur und Niederschlag der am stärksten betroffene Wirtschaftssektor ist. So ist zum Beispiel die Stagnation der französischen Getreideerträge in den letzten 20 Jahren auf die Klimaerwärmung zurückzuführen.

Wie reagieren die Landwirte angesichts der ökologischen Herausforderungen und wie passen sie ihre Praktiken an ?

Die Agrartechnik der Zukunft ist natürlich. Das bedeutet nicht, dass alle Landwirte biologische Produkte herstellen werden, aber dass der automatische Einsatz von Chemie allmählich verschwindet zugunsten einer systematischen, präventiven Vorgehensweise, bei der die Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes berücksichtigt werden. Für den Beruf des Landwirts ist das eine echte Revolution, da dieser bald das biologische Gleichgewicht in seinem Betrieb verwalten und somit selbst Kompetenzen entwickeln oder die Unterstützung durch neue Ressourcen in Anspruch nehmen muss. Die Idee besteht darin, die biologischen Phänomene im Rahmen eines kollektiv durchdachten territorialen Plans zum Vorteil der Landwirtschaft auszurichten. Dazu gehört der Einsatz von Nützlingen zur Schädlingsbekämpfung, die gezielte Auswahl bestimmter Arten, die Neuordnung der Parzellen untereinander oder auch die Kombination von Arten. Letztendlich wird sich der gesamte Sektor anpassen müssen, ebenso wie die Käufer, die ihre Logistik verändern müssen, um die Mischungen, die ihnen künftig geliefert werden, zu sortieren.

Gibt es bestimmte Hindernisse für die Entwicklung dieser Praktiken ?

Wir dürfen uns nichts vormachen: Es gibt Situationen, für die wir noch keine Lösung gefunden haben. Bei einem starken Mehltau-Befall hilft nur Kupfersulfat. Außerdem werden noch nicht alle sogenannten agrarökologischen Methoden beherrscht. Ohne Herbizide und Insektizide auszukommen, ist ein Lernprozess, der Zeit braucht. Und wenn diese Änderungen ein gesamtes Unternehmen betreffen, ist das ein großes Risiko. Dabei erhalten die Landwirte für diesen Übergang keine staatliche Unterstützung. Das ist ein echtes politisches Problem.

Wie werden Ihrer Meinung nach die Auslagen der Gemüseläden in 20 bis 30 Jahren aussehen ?

Es wird immer mehr Bio-Erzeugnisse geben und wir werden zunehmend dem Rhythmus der Jahreszeiten folgen. Es wird sicher auch ein Rating geben, das den Produkten für ihre Umweltleistungen im weitesten Sinne verliehen wird, eine Art globales CSR-Rating. Aber auch wenn wir in der Landwirtschaft natürliche Methoden anwenden, so bedeutet das keine Rückkehr zur Landwirtschaft unserer Großeltern! Die Landwirtschaft von morgen wird vielmehr auf der Grundlage von mehr Wissen und Kompetenzen erfolgen. Sie wird eine hoch präzise sein und von Robotern und innovativen Methoden unterstützt werden. Kurz gesagt: Sie wird anspruchsvoller sein denn je, und das Ergebnis werden wir in den Auslagen sehen.